Vorsicht. Das Lesen dieses Textes könnte deinen Schreibstil nachhaltig verändern. Das Weiterlesen ist strengstens empfohlen – allerdings auf eigene Gefahr.
Uuuh, jetzt haben wir aber Erwartungen geweckt, oder? Damit wären wir auch schon bei der ersten Lektion: Ein guter Text beginnt feurig und macht Lust auf mehr.
In diesem Post geben wir dir Werkzeuge an die Hand, die deinen Schreibstil verbessern und dein Urteilsvermögen schärfen. Du wirst nach dem Lesen dieses Beitrags nicht nur gute Texte schreiben können, sondern auch besser verstehen, wo in deinem Schreibstil noch Potential schlummert. Los geht’s!
1. Der Anfang will glänzen
Glänzen Sie hell wie ein Diamant! So formulierte schon die bekannte Philosophin Beyoncé diese Lektion. Bei Texten will und muss besonders der Anfang glänzen. Er besteht aus zwei Elementen: Headline und Texteinstieg.
Hier lautet die Regel: Fang mich! Ich bin die Aufmerksamkeit des Lesers, schwer zu gewinnen, leicht zu verlieren. Damit du mich kriegst, muss mich die Headline ködern und der Texteinstieg überzeugen.
Und wie macht man das? Indem man bildlich schreibt, gerne angereichert mit Wortwitz und Leichtigkeit. Schreib so, wie du sprichst. Formuliere einfache Sätze, sei klipp und klar und meide unnötige Verschachtelungen. Schauen wir uns ein Beispiel an, in dem wir im Kundenauftrag einen Text überarbeitet haben.
VORHER
Alarm over IP für Verbindung von Sicherungs- und Alarmmeldesystemen
Mit Alarm over IP (AoIP) ermöglichen wir Sicherheitsdienstleistern die kostengünstige Anbindung bestehender Kundenalarmierungssysteme an die jeweiligen Leitstellen und Dienste. Führende Unternehmen der Branche verlassen sich seit 2005 auf die Alarm-over-IP-Lösungen von snafu. Bis heute haben wir bundesweit bereits weit über 60.000 Kunden zuverlässig an die entsprechenden Leitstellen angeschlossen.
NACHHER
Alarm-over-IP: Alarmstufe Code!
Wenn Ihre Sirenen heulen, blinken unsere Warnleuchten. Alarm! Wir verbinden über 60.000 Kunden von Siemens bis Bosch über Alarm-over-IP mit den zuständigen Leitstellen. Aber warten Sie einen Moment. Was ist das überhaupt? Kurz und bündig: Alarm-over-IP (AoIP) ermöglicht die kostengünstige und sichere Anbindung Ihrer Alarmanlage an die Notruf- und Serviceleitstelle NSL.
2. Gib langen Wörtern keine Chance
Bundesausbildungsförderungsgesetz. Sieht dieses Wort nicht schrecklich aus? Oder wie wär’s mit Finanzdienstleistungsunternehmen? Uärgh. Langen Wörtern sollten die Zähne (und Buchstaben) gezogen werden, wo möglich.
Warum? Sie sind schwer zu verdauen und machen das Leben unnötig kompliziert. Wer mit solchen Wortungetümen um sich wirft, läuft Gefahr, seine Leser:innen zu vergraulen. Lassen wir das – und nutzen schöne, kurze Wörter.
Befindlichkeitsqualität → Laune
Motivationsstrukturen → Motive
Witterungsbedingungen → Wetter
Problemstellung→ Problem
Einrichtungsgegenständige → Möbel
Ganz einfach, oder?
3. In der Kürze liegt die Würze.
Klingt abgedroschen, trifft den Nagel aber auf den Kopf: Schreibe kurze Sätze.
Für optimale Verständlichkeit empfiehlt die dpa neun Worte pro Satz. Das ist ziemlich kurz. Drücken wir ein Auge zu, liegt die Obergrenze bei rund 15 Wörtern. Ausnahmen darf es geben, allerdings nur dann, wenn der Satz einen zusammenhängender Gedanke ausdrückt und die Länge der Verdaulichkeit nicht schadet.
Lange Sätze verlangsamen das Erzähltempo. Wer das als absichtliches Stilelement einsetzen möchte – bitteschön. Doch zu viele lange Sätze am Stück führen unweigerlich zu Schnarchattacken. Sie fordern die Konzentration und fördern die Ermüdung. Lassen wir das also auch – und fassen uns kurz.
Schreibe so, dass jeder es versteht
Wer viel über ein Thema weiß, beschmeißt seine Leser:innen gerne mit Fachwörtern. Dahinter steckt vielleicht der Wunsch klug zu wirken – oder eine unbewusste Betriebsblindheit. Weil man die Wörter kennt, glaubt man, andere würden sie auch kennen. Das mag in einem IT-Forum hinhauen, aber auf einer Webseite? Neee.
Wir wollen so schreiben, dass auch Laien die Botschaft verstehen. Die Kunst besteht darin, Kompliziertes verständlich zu erklären. Man bricht das Komplexe so weit runter, dass gut strukturierte und bildhafte Sprache es verständlich machen kann.
ALT
Die kostenorientierte Preisgestaltung ist eine Preisbildungsmethode, bei der die Kosten für die Erstellung eines Produkts oder einer Dienstleistung als Grundlage genommen und mit einer gewinnbringenden Marge addiert werden.
NEU
Cost-Based-Pricing funktioniert ganz einfach: Man nehme die Produktionskosten eines Produktes, addiere eine profitschaffende Marge und voila – schon steht der Preis.
4. Lass die Verben Verben sein
Schaffung, Überarbeitung, Sendung, Blutung. Wenn Wörter mit -ung enden, ist das ein Warnsignal. Hat da etwa jemand ein Verb gepackt und es in eine Nomen-Uniform gezwängt?
Verben hauchen Texten Leben ein. Sie tanzen, fliegen, sprechen, wirbeln. Wer sie in Nomen gepresst hat, befreit sie besser schnell wieder. Und überhaupt: zu viele passende, bildhafte Verben kann ein Text kaum haben.
ALT
Die Tätigkeitsfelder der Ausbildung umfassen Verputzungen von Wänden, Verzierungen von Ornamenten und die Restaurierung von historischen Fassaden.
NEU
In der Ausbildung verputzt du Wände, verzierst sie mit Ornamenten und restaurierst historische Fassaden.
5. Schreibe Bilder & male Texte
Aufgepasst! Die nächste Faustregel lautet: Zeigen statt sagen.
Das Sagen klingt so: »Obwohl es ein schöner Tag war, machte Herr Müller einen wütenden Eindruck.« Und das Zeigen: »Der Himmel strahlte in freudigem Blau. Ein paar tollkühne Spatzen schlugen wilde Kapriolen in die Luft, während Herr Müller mit geballten Fäusten und zorniger Miene auf die Blumenwiese starrte.«
Bildhafte Sprache ist wichtig, weil sie die Eigenheiten unseres Geistes beachtet. Wir erinnern in Bildern, denken in Bildern, wünschen in Bildern – also sollten wir auch in Bildern schreiben. Zumindest sollten wir das, wenn wir gelesen werden wollen.
Bildhafte Sprache steckt zum Beispiel in Redewendungen (vor Wut kochen), in Verben (die Flammen tanzen) und in der unerwarteten Kombination von Wörtern. Ich kann angestrengt versuchen, mich zu erinnern. Ich kann aber auch in meinem Gedächtnis popeln.
6. Die geilsten Adjektive
Adjektive sind schön und gut, aber niemals einer gründlichen Ideenfindung vorzuziehen. Insbesondere sollte man sich nicht auf dem Superlativ ausruhen. Das Coolste, Beste, Schönste, Höchste wirkt schnell unglaubwürdig. Nur selten wird das Beschriebene dadurch attraktiver.
Eine IT-Firma scheibt: „Sicherheit auf höchstem Niveau.“
Besser: „Sicher wie eine Burg.“
Und: „Bestes IT-Monitoring durch 24-Stunden-Überwachung.“
Besser: „Mehr sieht nur der Weihnachtsmann.“
7. Schreibe für einen Freund
Falls deine Texte an akuter Steifheit leiden, gibt’s einen einfachen Trick. Schreib den Text so, als würdest du ihn für einen Freund schreiben. Oder für deine Mutti. Dann würdest du bestimmt nicht anfangen mit:
»Wir fördern innovative Motivationsverbesserungsmaßnahmen für Mitarbeiter, um persönliche Stärken herauszuarbeiten, Schwächen zu erkennen und die Unternehmenskultur menschlicher zu gestalten.«
Oder?