Barrierefreiheit für Online-Shops (BFSG)

Shopbetreiber, aufgepasst! Mit Barrierefreiheit für Online-Shops machst du mehr Menschen zu potenziellen Käufer:innen. Das Ziel: Jeder Mensch – egal ob mit oder ohne Einschränkungen – soll problemlos bei dir einkaufen können.

Mit einem barrierefreien Online-Shop erweiterst du deine Zielgruppe um 7,8 Millionen Menschen mit Behinderung. Ganz nebenbei verbesserst du dein Suchmaschinen-Ranking. Doch ist das nicht nur Nice-to-have, sondern sogar ein Must-have. Warum? Ganz einfach: Barrierefreiheit wird für Shop-Betreibende bald zur Pflicht!

So will es das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG). Ab dem 25. Juni 2025 müssen B2C-Online-Shops barrierefrei sein – sonst drohen Bußgelder bis 100.000 Euro. Dieser Beitrag erklärt, was Barrierefreiheit im E-Commerce genau bedeutet, warum sie für deinen Online-Handel wichtig ist und wie dein Shop barrierefrei(er) werden kann.

Warum Barrierefreiheit für Online-Shops wichtig ist

Wusstest du, dass die meisten Menschen mit Behinderungen lieber online shoppen als offline? Der Grund: Das Shopping-Erlebnis in Läden wie Supermärkten ist für Behinderte oft unangenehm. Etwa für Blinde, Rollstuhlfahrer:innen oder Autist:innen kann es dort schnell schwierig werden.

Deshalb shoppen sie lieber online. Ist das nicht die perfekte Gelegenheit für Online-Shops? Jein. Denn viele Shops sind nicht barrierefrei gestaltet und verschenken Umsatzpotenzial. Das geht besser – und dank BFSG wird es das auch bald müssen.

BFSG: Marktpotenzial und demografische Vorteile

  • Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) leben weltweit über 1 Milliarde Menschen mit einer Behinderung – das sind etwa 15% der globalen Bevölkerung. (Stand 2011, Weltbericht Behinderung)
  • In Deutschland haben rund 7,8 Millionen Menschen eine Schwerbehinderung (Stand 2021, Statistisches Bundesamt). Ein großer Markt für geschickte Händler.
  • Experten schätzen die Kaufkraft von Menschen mit Behinderungen in Europa auf über 780 Milliarden Euro (Stand 2017, Archiv des Bundestags)
  • Der demografische Wandel verstärkt den Trend. Bis 2060 wird jeder vierte Deutsche über 65 Jahre alt sein – eine Altersgruppe mit erhöhtem Bedarf an barrierefreien Angeboten. (Stand 2024, Statista)

BFSG: Wettbewerbsvorteile

  • 86% der Nutzer mit Behinderungen geben an, dass sie bereit sind, mehr für Produkte von barrierefreien Websites zu zahlen. (Click-Away Pound Report, 2019)
  • Barrierefreie Websites profitieren von besseren SEO-Rankings, da viele Aspekte der Barrierefreiheit auch die Suchmaschinenoptimierung verbessern.
  • In einer Studie des UK Royal National Institute führte eine 35.000 Pfund Investition einer Supermarktkette in eine barrierefreie Webseite zu Mehreinnahmen von 13 Millionen Pfund. Ein ROI von 37043 %.
  • Inklusive Unternehmen, die Menschen mit Behinderungen in ihren Angeboten berücksichtigen, machen laut einer Accenture Studie 1,6 x mehr Umsatz

BFSG: Rechtliche und ethische Aspekte

Gesetze zur digitalen Barrierefreiheit

In Deutschland regeln verschiedene Gesetze und Verordnungen die Zugänglichkeit von Webseiten. Das sind die wichtigsten:

  • Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung (BITV):
Die BITV 2.0 (2011) regelt die barrierefreie Gestaltung von Internetangeboten der Bundesverwaltung. Sie basiert auf den Web Content Accessibility Guidelines.
  • Web Content Accessibility Guidelines (WCAG):
Die WCAG 2.2 (Stand 2023) setzen internationale Standards für barrierefreies Internet. Sie beruhen auf vier Kategorien der Barrierefreiheit: Wahrnehmbarkeit, Bedienbarkeit, Verständlichkeit und Robustheit von Webinhalten. Die WCAG sind der praktische Anleitungsfaden zur Umsetzung von barrierefreien Inhalten.
  • Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG):
Das BFSG tritt 2025 in Kraft und verpflichtet viele Unternehmen zur barrierefreien Gestaltung von Produkten und Dienstleistungen. Bei Nichteinhaltung drohen Diskriminierungsklagen und Bußgelder. Kleinunternehmen sind teilweise ausgenommen.
  • Behindertengleichstellungsgesetz (BGG):
Das BGG ist seit 2002 in Kraft und fördert die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen in staatlichen Institutionen. Es verpflichtet öffentliche Stellen zur barrierefreien Gestaltung ihrer digitalen Angebote. Für die Privatwirtschaft gilt es nicht.
  • UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK):
Von Deutschland 2009 ratifiziert, konkretisiert die UN-BRK Menschenrechte für Menschen mit Behinderungen. Sie fordert umfassende Inklusion, einschließlich barrierefreier Gestaltung öffentlicher Bereiche und Websites.

Häufige Barrieren in Online-Shops

So weit, so gut. Die Frage ist: Wo genau scheitern Online-Shops bei der Inklusion, wo liegen die Nutzungsbarrieren im E-Commerce? Wir beleuchten die fünf großen Barrieren: technische, visuelle, auditive, kognitive und motorische Barrieren. Wer diese Hindernisse versteht und beseitigt, ist auf dem besten Weg zum inklusiven Online-Shop.

  • Technische Barrieren: Hierzu zählen unzugängliche Websitestrukturen, fehlende Kompatibilität mit Hilfstechnologien und nicht-responsive Designs. Beispiele sind komplexe JavaScript-Funktionen ohne alternative Zugangsmöglichkeiten oder Formulare, die nicht mit Tastatur bedienbar sind.
  • Visuelle Barrieren: Betreffen hauptsächlich sehbehinderte Nutzer:innen. Probleme entstehen durch schlechte Farbkontraste, zu kleine Schriftgrößen, fehlende Alternativtexte für Bilder und unzureichende Skalierbarkeit der Webseite. Auch komplexe Layouts können per Screenreader schwer zu navigieren sein.
  • Auditive Barrieren: Gelten vor allem für gehörlose oder schwerhörige Nutzer. Sie entstehen durch fehlende Untertitel oder Transkripte für Audio- und Videoinhalte, ausschließlich akustische Informationsvermittlung (z.B. bei Fehlermeldungen) oder fehlende visuelle Alternativen für Audio-Feedback.
  • Kognitive Barrieren: Das sind Hindernisse für Nutzer:innen mit Lern- oder Konzentrationsschwierigkeiten. Dazu gehören komplizierte Sprache, unübersichtliche Navigationsstrukturen, ablenkende Animationen, Pop-ups, sowie zeitbasierte Funktionen, die Stress verursachen können (z.B. Sitzungszeitlimits beim Checkout).
  • Motorische Barrieren: Beeinträchtigen Nutzer mit eingeschränkter Bewegungsfähigkeit. Gängige Probleme: kleine Klickbereiche, enge Zeitlimits für Interaktionen, fehlende Tastaturnavigation oder Scrolling-intensive Layouts. Auch komplexe Drag-and-Drop-Funktionen können Schwierigkeiten bereiten.

Praktische Tipps für bessere Barrierefreiheit im Online-Shop

Barrierefreiheit im E-Commerce erscheint anfangs komplex, ist aber mit den richtigen Strategien durchaus machbar. Dieser Abschnitt liefert praktische Tipps in sechs Kernbereichen, die deinen Online-Shop zugänglicher und benutzerfreundlicher für alle machen.

  • Technische Maßnahmen: ARIA-Labels und semantisches HTML sind sehr wichtig für die Barrierefreiheit. ARIA-Labels geben Screenreadern zusätzliche Infos. Semantisches HTML macht die Struktur und den Inhalt klar. Auch wichtig: Der Shop muss komplett mit der Tastatur bedienbar sein. Das hilft Nutzer:innen, die keine Maus verwenden können.
  • Design-Strategien: Starke Farbkontraste und ausreichend große Schriften machen deinen Shop besser lesbar. Für normalen Text empfiehlt sich ein Kontrast von wenigstens 4,5:1, für große Texte 3:1. Nutzer sollten die Schriftgröße anpassen können. Achte auf eine klare Gliederung und genug freie Flächen. Bilder brauchen Alternativtexte. Formulare sollten einfach zu verstehen und zu nutzen sein.
  • Inhaltsgestaltung: Schreibe klar und verständlich. Nutze kurze Sätze und aktive Verben. Vermeide Fachbegriffe. Gliedere Texte mit aussagekräftigen Überschriften und Listen. Biete für schwierige Themen eine Version in „Leichter Sprache“ an.
  • Benutzer-Tests: Teste deinen Shop mit Menschen mit Behinderungen. Sie finden Probleme, die Entwickler oft übersehen. Mache regelmäßig Tests mit verschiedenen Gruppen. Nutze das Feedback, um besser zu werden. Accessibility-Analyse-Tools wie BITV-Test, WAVE oder axe können auch helfen.
  • Mobile Barrierefreiheit: Viele Kund:innen nutzen Smartphones. Deshalb muss dein Shop auch auf kleinen Bildschirmen gut funktionieren. Mache Buttons groß genug zum Antippen. Das Layout muss sich anpassen können. Prüfe, ob mobile Screenreader wie VoiceOver oder TalkBack gut funktionieren.
  • Schulung und Sensibilisierung: Schule deine Mitarbeiter regelmäßig. Das gilt für Entwickler:innen, Designer:innen und Content-Teams. So bleibt Barrierefreiheit ein wichtiges Thema in deinem Unternehmen. Bleib auf dem Laufenden über neue Entwicklungen, um deinen Shop immer weiter zu verbessern.

Best Practices digitale Barrierefreiheit

Aktion Mensch und Google haben mit weiteren Partnern die Barrierefreiheit der meistbesuchten Onlineshops getestet. Aus den Top-500 Webseiten in Deutschland (Similarweb, 2023) wurden 71 vollständige E-Commerce-Shops untersucht. Hier ein paar Findings:

Tastaturbedienbarkeit bei Asos
Asos.com glänzt bei der Tastaturbedienbarkeit. Nutzer können direkt zum Hauptinhalt springen, der Tastaturfokus bleibt immer sichtbar und selbst der Cookiebanner lässt sich problemlos mit der Tastatur bedienen. So geht barrierefreies Surfen.

Screenshot von Aktion Mensch

Labels bei XXXLutz
Xxxlutz.de liefert klare Beschriftungen vor und in den Formularfeldern. Du siehst sofort, wo du deine E-Mail oder Telefonnummer eintragen sollst. Und das Beste? Die Labels bleiben sichtbar, auch wenn du im Feld tippst. So behältst du immer den Überblick und Fehler werden minimiert.

Screenshot von Aktion Mensch

Kontraste bei Nike
Nike.com macht’s vor: Knackige Kontraste, die ins Auge springen! Schwarze Schrift und Symbole auf weißem Grund – das knallt mit einem Kontrast von über 18:1. So liest und klickt es sich leicht, egal ob mit oder ohne Seheinschränkung. 

Screenshot von Aktion Mensch

Multimediale Inhalte bei Apple
Apple.com zeigt, wie’s geht: Videos mit Untertiteln für alle, die’s lieber lesen. Und wer’s noch genauer will, findet die komplette Transkription direkt unterm Video. So verpasst niemand was – egal ob du’s hören kannst oder nicht.

Screenshot von Aktion Mensch

Überschriften bei Ikea
Ikea.com bringt Struktur in den Shop: Ein Blick auf die Überschriften-Übersicht zeigt’s. Jede Produktseite hat ein eigenes Inhaltsverzeichnis. Die Überschriften sind komplett, auf den Punkt und in der richtigen Reihenfolge.

Screenshot von Aktion Mensch

Barrierefreiheit für Online-Shops – Ressourcen & Tools

Im Internet wimmelt es an Tools, die dich auf deinem Weg zu mehr Zugänglichkeit unterstützen. Wir haben wichtige Ressourcen & Tools zur Web Accessibility zusammengestellt:

Analyse-Tools

  • AXE: Automatisiertes Werkzeug zur Erkennung von Zugänglichkeitsproblemen. Enthält Lösungsvorschläge.
  • WAVE: Visuelle Darstellung von Barrierefreiheitsproblemen direkt im Browser-Kontext.
  • Lighthouse: Google-Tool für Barrierefreiheit, Performance und SEO-Audits.
  • accessiBe: KI-gestütztes Tool für kontinuierliche Überwachung und Verbesserung der Barrierefreiheit.

Assistive Tools

  • JAWS: Umfangreicher Screenreader für Windows mit fortgeschrittenen Funktionen.
  • NVDA: Kostenloser, Open-Source Screenreader für Windows.
  • VoiceOver: Integrierter Screenreader für Apple-Geräte.
  • Dragon NaturallySpeaking 11: Spracherkennungssoftware für PC-Steuerung und Texteingabe.
  • Google Voice Access: Android-App für sprachgesteuerte Smartphone-Bedienung.
  • ZoomText: Bildschirmlupe mit Screenreader-Funktionalität für Sehbehinderte.

Dokumente

  • BFSG-Gesetzestext: Offizieller Wortlaut des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes.
  • WCAG 2.2 Richtlinien: Aktuelle Version der Web Content Accessibility Guidelines.
  • WCAG 3 Draft: Vorschau auf zukünftige Entwicklungen der Zugänglichkeitsstandards.

Weitere Links

Zusammengefasst

Barrierefreiheit im E-Commerce ist eine Win-Win-Situation: Du erreichst mehr Kunden, verbesserst dein SEO-Ranking und erfüllst gesetzliche Pflichten. Mit dem BFSG wird Barrierefreiheit für die meisten Online-Shops ohnehin Pflicht.

Von technischen Maßnahmen über Design bis zu klarer Sprache – es gibt viele Wege, deinen Shop inklusiver zu gestalten. Große Player wie Apple und Zalando machen es vor.

Denk daran: Barrierefreiheit ist ein fortlaufender Prozess, der sich lohnt. Du schaffst nicht nur ein besseres Einkaufserlebnis für Menschen mit Behinderungen, sondern für alle deine Kund:innen.

Brauchst du Support bei der Umsetzung? Wir unterstützen dich gerne, um deinen Online-Shop barrierefrei zu machen. Am besten schickst du uns eine Nachricht.

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